Marketing 2.0 is rising!

Kennen Sie Sara Rosso? Ich bislang auch nicht. Ms. Rosso, in Italien lebende Amerikanerin und offenbar hochbegabte Kommunikatorin wurde jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, weil sie in Konflikt mit den Anwälten des Ferrero-Konzerns zu tun bekam. Die schickten ihr eine Unterlassungsklage, weil sie auf ihrem Blog das Nutella-Logo benutzt hatte.

Nun ist das in diesem Falle etwa so, als würde Herr Watzke Fans mit Klage drohen, die mit BVB-Schal und -Fahne durch die Lande ziehen. Denn Frau Rosso ist eine solch glühende (respektive: clevere) Verehrerin der Marke, dass sie vor sechs Jahren den „World Nutella Day“ erfand, den seither eine wachsende Gemeinde von Haselnusscremefetischisten zelebriert. Auf ihrer Website nutelladay.com veröffentlicht sie reihenweise Rezepte, die auf dem süßen Produkt basieren und vermarktet ihr entsprechendes Buch, weitere Devotionalien und nicht zuletzt sich selbst.

Win-win-Spiele im Marketing 2.0

Nachdem der Aufschrei der Fangemeinde laut genug war, hat Ferrero seine Anwälte zurückgepfiffen und sich freundlich mit Frau Rosso geeinigt. In einer offiziellen Stellungnahme (nachzulesen auf der nutelladay-page) klingt dabei fast schon so etwas wie eine Entschuldigung an: „The case arose from a routine brand defense procedure…“, heißt es da – in einem Militärcommuniqué könnte man es nicht schöner formulieren -, und weiter: „Ferrero considers itself fortunate to have such devoted and loyal fans of its Nutella spread, like Sara Rosso.“

Offenbar hat der Konzern ein Anfangsverständnis davon entwickelt, dass hier eine höchst nützliche Symbiose existiert, und – ohne eigenes Zutun – ein Win-win-Spiel von dem Typus läuft, den zu initiieren andere Unternehmen mit Hilfe von Social-media-Agenturen mittlerweile viel Geld ausgeben. Dass die Sprache dabei weiterhin anwaltlich-trocken daherkommt und den Ton der Netzgemeinde nicht so ganz trifft, zeigt, dass da noch ordentlich Lernpotenzial vorhanden ist.

Die Zukunft gehört kontaktfähigen Unternehmen

Der Fall zeigt aber nicht nur, wie langsam die Verantwortlichen in vielen Konzernen sind, wenn es darum geht zu begreifen, was sich „da draußen“ gerade tut und wie fern die Kommunikatoren in den Zentralen der Mentalität und Lebenswelt ihrer Kunden stehen. Er ist auch ein deutlicher Fingerzeig in die Richtung, in der die Zukunft des Marketings liegt. Wenn man sich die Ideen anschaut, die allein Sara Rosso im Umfeld des Produktes generiert, wird klar, dass die Kreativität der Vielen (auch wenn da viel Ausschuss dabei sein sollte), das Potenzial jeder Agentur notwendig übertreffen muss. Erfolgreiche Marken werden einen ganzen Meteoritenring von Gratis-Kommunikatoren um sich versammeln, die (je nach Mentalität und Befähigung) ihrerseits von dieser ektosymbiotischen Beziehung profitieren.

Neue Marken werden zukünftig nur noch angeschoben werden: Danach wird der Erfolg der Einführung daran zu messen sein, welche „Ableger“ und Varianten durch sich selbst organiserende Feedback-Kommunikationen entstehen. Markenführung wird viel stärker durch Beobachtung von Kommunikationen geprägt sein (und nicht mehr durch das Belästigen von Kunden durch Befragungen). Eine wesentliche Voraussetzung dafür wird allerdings die Kontakt-und Empathiefähigkeit von Unternehmen sein. Unsympathen und Autisten unter den Organisationen werden des Spielfeldes verwiesen werden. Da kommt eine Menge Arbeit auf viele Unternehmen zu, denn kultureller Wandel braucht Zeit und Energie.

Wenn Marken Filme wären

Wenn Marken Bücher wären, dann wären Produkt-Marken Science-Fiction und Dienstleistungs-Marken Biografien. Denn bei Produkten darf oder soll man etwas ganz Neues erfinden. Dienstleistungs-Marken kommen dagegen umso besser an, je näher sie an der Wahrheit bleiben und je authentischer sie empfunden werden. Markenwerte, die nicht glaubhaft aus der Biografie und dem Spirit des Unternehmens heraus entwickelt wurden, langweilen den „Leser“, der ja wissen will, wie es wirklich ist. Die Marke eines Dienstleisters mit dem aufzuladen, was den Menschen, welche die Dienstleistung ja dann auch erbringen werden, täglich wichtig ist, macht das Unternehmen glaubwürdig für diejenigen, die sich als Klienten oder Kunden – etwa eines Krankenhauses – wirklich auf die gegebenen Versprechen verlassen müssen.

Storytelling on the hop

Hirnforscher verleihen Geschichten Auftrieb

Der Shootingstar einer Methodenumfrage ist Storytelling. Mehr als jeder dritte Trainer und Berater setzt auf die Macht von Mären und Metaphern. Der Bedeutungsgewinn des Formats könnte sich zum Teil durch die Popularitätsgewinne der Hirnforschung erklären. Lerninhalte, die in Geschichten verpackt werden, können besser verankert und leichter erinnert werden.

Erst Hinschauen – dann Zuhören

Ein wunderbares Beispiel für das Harun-al-Rashid-Prinzip stammt von einem Kollegen, der mir folgende Geschichte erzählte: In einem Produktionsbetrieb der Automobilindustrie kam es zu einer auffälligen Häufung von Fehlern. Verschiedene Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung griffen aber nicht. Dann kamen Berater auf die Idee, Mitarbeiter zu filmen, die sich ihre Jahreswagen in der entsprechenden Halle aussuchten. Dabei konnte man sehen, dass die Mitarbeiter sich gezielt ganz bestimmte Stellen und Details an den Wagen genau anschauten, bevor sie sich für ein Fahrzeug entschieden. In anschließenden Interviews wurden die Facharbeiter darauf angesprochen und konnten genau begründen, warum sie genau hier Schwachstellen vermuteten. Mit anderen Worten: Die Mitarbeiter wussten, was die Organisation nicht wusste. Und sie gaben dieses Wissen auch bereitwillig weiter, als man sie auf ihr Wissen ansprach. Man musste dazu allerdings den Modus der Beobachtung und der Kommunikation wechseln.

Storytelling als Thema in ‚human resources manager‘

Unter dem Titel „Die Macht der Worte“ beschäftigt sich die April/Mai-Ausgabe des Magazins human resources manager mit dem Thema „Storytelling“. Bemerkenswert positiv finden wir dabei, dass dieser Beitrag sich weniger mit Storytelling als Rhetorik-Tool beschäftigt, sondern die vielfältigen Möglichkeiten aufzeigt, Storytelling als Werkzeug für Wissen, Lernen, Austausch, Change-Management und Unternehmenskulturanalyse zu nutzen. Unter anderen kommen Dr. Hermann Sottong von SYSTEM + KOMMUNIKATION sowie Dr. Karin Thier von narrata – beide Mitglieder von inam – ausführlich zu Wort.